Erwachsenwerden
3. Mein Kind unterstützen
3.2. Bei der Lebensplanung
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Wir haben unsere Klienten gefragt, was Ihnen im Leben wichtig ist?
Video: "Was mir im Leben wichtig ist"
Fragen der Lebensplanung kommen für Eltern und für
Jugendliche nicht immer zu einer Zeit, in der sie gut verträglich sind. Auf der
einen Seite müssen wichtige Entscheidungen zu möglichen Ausbildungen,
beruflichem Werdegang und Wohnformen getroffen werden. Auf der anderen Seite
sind die Jugendlichen ohnehin schon mit Veränderungen beschäftigt. Sie sind z.B.
mit vielen Beziehungsabbrüchen konfrontiert, wie durch den Abschluss der
Schulzeit oder dem Wechsel in die Erwachsenenmedizin. Auch andere Veränderungen
im Lebensumfeld können die Bereitschaft, Zukunftspläne zu schmieden dämpfen.
Um den Wünschen ihres Kinder näher zu kommen kann die "persönliche Zukunftsplanung" (PZP)" eine hilfreiche Methode sein - auch bei kleinen Zielen. Nähere Informationen finden Sie unter Punkt 5.1.
Welche
professionellen Angebote Sie und Ihr Kind in den Bereichen der Lebensplanung unterstützen können, finden Sie im 5. Kapitel.
Hier möchten wir allgemein über die Themen der Lebensplanung sprechen, im speziellen über Arbeit und Ausbildung, Wohnen und Gesundheit:
- Arbeit
Beruflich und die Ausbildung betreffend - wieviel Wahlmöglichkeiten haben Menschen mit einer geistigen Behinderung wirklich?
Je nach Schwere oder Art der Beeinträchtigung wirkt der Lebenslauf oft vorgeprägt
und institutionalisiert. Vereinzelt nehmen behinderungsspezifische Angebote zu,
z. B. für Menschen mit einer Autismusspektrumstörung. Hat der Jugendlichen aber
den Wunsch auf dem 1. Arbeitsmarkt
zu arbeiten erfordert dies von den Eltern viel
Ausdauer und Energie bei der Umsetzung einer außerordentlichen individuellen Lösung.
Nähere Informationen finden Sie auch unter Punkt 5 und im Modul "Menschenrechte", im speziellen unter "Arbeit und Menschen mit intelektueller Beeinträchtigung".
Folgende Checkliste könnte ebenfalls hilfreich bei der Planung Arbeit / Ausbildung sein: Checklist Berufsvorbereitung
-
Wohnen
Der Zeitpunkt zum Ausziehen wird derzeit - ähnlich wie bei jungen Erwachsenen ohne geistige Behinderung – beim Wechsel in das Arbeits- oder Studiumsleben, als günstig empfunden, da die generell veränderte Situation mit einem Auszug gut verknüpft werden kann. [14]
Der Idealfall wäre natürlich zu warten, bis das Kind eigene Impulse zum Ausziehen entwickelt. Das scheint oft nicht zu gehen, und die Eltern müssen aktive Schritte dafür tun (Uphoff 2018). Dabei sollte man sich bewusst machen, dass eine professionelle Betreuung nicht im Ansatz die „gleiche“ Nähe und Versorgung bieten kann. Dass aber gerade das in Ordnung ist, da es dem entspricht dem, was jeder junge Erwachsene erlebt und lernen muss: in unterschiedlichen „Welten“ und „Bezügen“ zu Recht zu kommen. Um Krisen zu vermeiden ist es aber auch wichtig, dass ein Auszug nicht zu früh ist um sie nicht zu überfordern. So dass die Jugendlichen es auch selbst wollen (vgl. ebd.).
„Lust“ aufs ausziehen, auf beiden Seiten - wie kann man die Wecken? Es ist eine Gratwanderung: Locken, puschen – mit möglichst wenig Druck !" [15]
Manchmal müssen die
Kinder aufgrund der Distanz zum Ausbildungs- oder Arbeitsplätze oder aufgrund
spezieller Bedürfnisse auch viel früher ausziehen. Oder es gibt Sachzwänge, z.B.
Wartelisten der Wohnheime. Wenn der Auszug „verordnet“ ist, kann das Kind es
aber nicht als selbstbestimmten Schritt der Ablösung wahrnehmen. Das ist auch für die Eltern emotional sehr schwierig.
„Selbst für die Ablösung eines Kindes aktiv werden zu müssen, muss ambivalente
Gefühle auslösen und erfordert eine Neudefinition der eigenen Rolle und Abgabe
von Verantwortung“. [16]
-
Gesundheit / Therapie
Menschen mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung haben häufig zusätzliche chronische Erkrankungen oder auch Dispositionen zu akuten Erkrankungen. Bei ihnen bestehen besondere Bedürfnisse im Hinblick auf Umfang und Qualität ihrer gesundheitlichen Versorgung. Besonders gravierend ist dies beim Übergang von der Kinder und Jugend- in die Erwachsenenmedizin. Viele Eltern sind teilweise über die wenig familiäre Atmosphäre und andere Arbeitsweise geschockt.
Manche Kinder verlieren den Kontakt zu spezialisierten
Gesundheitsdiensten, wenn sie keine pädiatrischen Dienste mehr nutzen. Für
einige kinder- und jugendmedizinische Krankheitsbilder sind effektive
Behandlungsstandards etabliert, für die es im erwachsenenmedizinischen Bereich
noch keine vergleichbaren Versorgungsstrukturen gibt. Ein Grund dafür ist, dass
die Lebenserwartung bei einigen komplexen und seltenen Erkrankungen aufgrund
verbesserter Medizinstandards gestiegen ist. Die Erwachsenenmedizin muß dieser
Tatsache erst noch gerecht werden. [17]
In einigen Ländern (Deutschland, England) sollen zukünftig medizinische Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderung die Weiterversorgung von sozialpädiatrischen Patienten im Erwachsenenalter gewährleistet und damit die „Transition“ erleichtern.
Eltern haben bei speziellen Erkrankungen ihres Kindes oft
den Expertenstatus. „Da mit dem Eintritt dieser Patienten ins Erwachsenenalter
eine echte Selbstständigkeit nicht zu erwarten ist, behalten die Eltern hier
also ihre Position als Verantwortliche und müssen in der Erwachsenenmedizin
erneut verlässliche Ansprechpartner finden, die ausreichend Verständnis, Zeit
und fachliche Expertise haben, die komplexe Betreuung der Patienten zu übernehmen
und die „Expertenrolle“ der Eltern zu respektieren“. [17]
Ob selbständig oder mithilfe Anderer – sind Eltern wichtige Partner, um an dem Prozess der Lebensplanung aktiv teilzunehmen und den jungen Erwachsenen zu begleiten.