Erwachsenwerden
5. Externe Unterstützer
5.1. Angebote in Übergangsbereichen
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Viele Eltern fühlen sich oft von Institutionen oft allein gelassen, wenn Ihre Kinder erwachsen werden. [5] Deutsche Forschungen in diesem Bereich bestätigen, dass viele Unterstützung Angebote in den Bereichen Freizeit, Bildung und Beratung, nicht bekannt sind. Das Hilfesystem ist oft komplex und unüberschaubar und je nach Organisation und Örtlichkeiten gibt es große Unterschiede . Diese Unübersichtlichkeit führt zu Orientierungsproblemen und erschwert Entscheidungen. Vor allem fehlen beratende und koordinierende Stellen. [6] Ein guter Zugang zu Informationen – z. B. welche Angebote auf die familiären Bedürfnisse passen – wäre für viele Eltern bereits eine große Unterstützung! [7] In Deutschland werden derzeit im Rahmen eines Bundesförderprogramms flächendeckend solche Beratungsstellen eröffnet: „Ergänzende unabhängige Teilhabebratung“ nach §32 SGB IX.
Dieses Kapitel soll Ihnen ein Überblick über mögliche
Unterstützungsangebote vermitteln und ist in folgende Bereiche aufgeteilt:
- Unterstützungsangebote: Peergroup und Beziehungsnetz / Freizeit- und
Bildungsangebote (5.1.1.)
- Individuelle Begleitung: Selbständigkeit und Skills trainieren (5.1.2.)
- Unterstützungsangebote Lebensplanung (5.1.3.)
5.1.1. Unterstützungsangebote: Peergroup und Beziehungsnetz / Freizeit- und Bildungsangebote
Peergroup und Beziehungsnetz
Externe Unterstützer können allein durch Transportdienste wesentlich zur Ermöglichung von Kontakten beitragen. Persönliche Begleitung bei Unternehmungen mit Freunden oder erste „Dates“ ohne Eltern, beispielsweise ins Cafe oder ins Kino zu gehen, sind aber besonders wertvolle Erfahrungen für das Autonomiegefühl. Der Umgang kann je nach Bedarf intensiv angeleitet werden, wie Tipps zur Beziehungsgestaltung, Hilfestellungen bei der Gesprächsführung, unterstützte Kommunikation bei Artikulationsschwierigkeiten.
Diese Angebote werden oft durch Freiwilligendienste oder Studenten übernommen. Nicht selten sind die Personen im gleichen Altern, die bei der Normorientierung und Identifikationserleben eine wichtige Rolle spielen. Oftmals werden die "jungen Helfer" ganz automatischen zu Identifikations- und Bezugspersonen.
- Viele andere Aktivitäten des Alltags werden bei dem begleitenden Umgang automatisch mit trainiert, wie das Eis selber zahlen, den Weg zur Eisdiele üben, etc.
Ein gutes Beziehungsnetz auch unabhängig von elterlicher Hilfe kann Heranwachsenden mit geistiger Behinderung helfen, eigene, vielleicht auch neue Pläne zu entwickeln, zu verwirklichen und Herausforderungen zu bewältigen.
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Freizeit- und Bildungsangebote
Der Freizeitbereich ist besonders gut geeignet, um neue Kontakte zu knüpfen, etwa beim Sport treiben, beim Besuch von Kursen oder bei kulturellen oder geselligen Anlässen. Wichtig ist, dass die Jugendlichen in der Freizeit selber wählen können. Umso mehr Spaß die Aktivität macht, desto mehr wird die Motivation geweckt sich auf Neues einzulassen
Heute gibt es durchaus Freizeitangebote speziell für Menschen mit geistiger Behinderung: Freizeit-Treffs, organisierte Events, sogar Fernreisen. An Kontakt- und Singlepartys können junge Menschen mit Behinderung beim Kontaktaufbau begleitet und angeleitet werden, je nach Wunsch und Bedarf.
- Die Teilnahme an Bildungs- und Freizeitangebote sind gute Möglichkeiten Trennungen auf Zeit zu erproben.
- Um wählen zu können, sollten junge Menschen mit Behinderung genügend Informationen über Freizeitangebote in ihrer Nähe erhalten.
5.1.2. Individuelle Begleitung: Selbständigkeit und Fähigkeiten trainieren
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Jugendliche können Wissen und Erfahrungen erwerben, die sie auf die Entscheidung für eine neue Wohnform und den Auszug von zu Hause vorbereiten (in Deutschland und Schweiz): Die Dauer und die Intensität des Bildungsangebotes der Vorbereitungskurse passt sich dabei dem Niveau der Teilnehmer an. Die Kurse dauern zwischen einem und drei Jahren und sind als Grund- und Aufbaukurs zu durchlaufen. Oft kann im Anschluss direkt ein Trainingswohnen vereinbart werden, um das selbständige Wohnen in einer eigenen Wohnung oder Wohngemeinschaft ohne großes finanzielles Risiko auszuprobieren.
In den Kursen wird die Haushaltsführung aber auch das Zusammenleben gelernt: Kochen, putzen, einkaufen, kommunizieren, Konflikte lösen, Körperpflege, Verhalten im Notfall, Umgang mit Geld, Freizeitgestaltung, Wünsche und Träume, Wege üben.
In den Kursen spielen persönliches Können, die eigenen Wünsche und Ziele aber auch die Aktivitäten in der Gruppe eine wichtige Rolle. In der Erfahrung mit Anderen lernen die Jugendlichen eigene Stärken und Schwächen kennen:
"Der gesunde Stolz auf das, was jemand kann schließt das Bewusstsein dessen ein, was er nicht kann. Nur ein Selbstwertgefühl, das auf diesem Selbstbewusstsein basiert ist tragfähig". [8] Werden Schwächen akzeptiert kann Unterstützung leichter angenommen und die Unterstützung „als Mittel zur Selbständigkeit und Unabhängigkeit“ gesehen werden.
Zusammenhänge zwischen Selbstbestimmung, Wohlbefinden und
Abhängigkeit können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Zustände menschlichen Wohlbefindens gründen aus der Ausgewogenheit zwischen größtmöglicher verantwortbarer Unabhängigkeit und bedürfnisbezogener Abhängigkeit. Als realisierte Unabhängigkeit im oben genannten Sinne ist Selbstbestimmung eine unabdingbare Voraussetzung für menschliches Wohlbefinden. [9]
Übung : “Wochenplan erstellen"
Wie könnte der wöchentliche Tagesplan Ihres Kindes aussehen?
Lassen Sie sich von folgendem Plan inspirieren: Was ich jeden Tag mache
5.1.3. Unterstützungsangebote Lebensplanung
dieser Unterpunkt möchte Sie über folgende Lebenbereiche näher informieren:
Ausbildung und Arbeit
Wohnen
Unterstützungsangebote: Paarbeziehung und Familiengründung
Zur Unterstützung der Erarbeitung von Zukunftsplänen und deren Realisierung wurde das Konzept der personenbezogenen Planung Ende der Achtziger Jahre in den USA entwickelt. Es soll dazu dienen, dass die Person selber mit ihren Wünschen und Bedürfnissen, und nicht die Unterstützungsangebote der vorhandenen Einrichtungen der Behindertenhilfe das Leben von Menschen mit Behinderungen bestimmen. Dadurch soll eine erweiterte Selbstbestimmung der betreffenden Person erreicht werden und durch die Einbeziehung der Unterstützer wird sie stärker in die Gemeinschaft integriert. [11]
Kernmethode der persönlichen Zukunftsplanung (PZP) ist eine
Zukunftsplanung im Unterstützerkreis: [12]
- Dazu werden Angehörige, Freunde, Fachleute, Kollegen
identifiziert, die für eine Zukunftsplanung unterstützend sind.
- Die planende Person lädt diese Menschen zum eigenen Zukunftsfest ein.
- Der Moderator sorgt dafür, dass die planende Person im Mittelpunkt steht und deren Träume und Ziele verfolgt werden.
- Die Co-Moderation schreibt und zeichnet alle Schritte des Prozesses auf.
- Alle Unterstützer sind wichtig, um kreative Lösungen und Sichtweisen einzubringen und die planende Person (Hauptperson) in der Umsetzung der Schritte zum Ziel zu begleiten.
Beispiel für PZP: Melanie Bros-Spähn.
Für ihre Fähigkeiten „Präsenz
und Ausstrahlung“ wurden im Prozess der PZP Arbeitsmöglichkeiten gesucht.
Ergebnis ist, dass Melanie mit Assistenten täglich soziale Einrichtungen
besucht.
Video: Inhalte der Planung
- Ausbildung und Arbeit
Manche Heranwachsende haben sehr genaue berufliche Ziele, andere haben diesbezüglich noch keine Ahnung. Wunsch und Realität können manchmal stark auseinanderdriften. Jugendliche mit geistiger Behinderung tun sich mit der Selbsteinschätzung oft besonders schwer.
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Setzten Sie sich früh mit dem Berufswunsch ihres Kindes und den möglichen Ausbildungswegen auseinander. Interessensgebieten, Stärken und Schwäche, sind besonders wichtig. Hospitationstage oder Praktika können wertvolle Erfahrungen sein.
Gehen Sie kreativ mit Wünschen Ihres Kindes um. Greifen Sie die Fähigkeiten und Wünsche als Ideen für neue Wege auf.
In den Ländern der EU sind die Unterstützungsleitungen im Bereich der Arbeit so unterschiedlich, dass hier nur allgemeine Hinweise gegeben werden können. Mehr More Informationen zu diesem Thema finden Sie im Modul "Menschenrechte" - Arbeit und Personen mit intelektuellen Beeinträchtigung.
Wo wir konkrete Hinweise beispielhaft für hilfreich halten
beziehen wir uns auf das Unterstützungssystem in Deutschland: Bei der
Stellenvermittlung sind Menschen mit einer geistigen Behinderung oftmals auf
langfristige Begleitung angewiesen. Eine Berufsbildung im herkömmlichen Sinn
mit anerkannten Abschlüssen ist bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung
nicht möglich. Für sie gibt es stattdessen spezifische Möglichkeiten der beruflichen
Bildung, dies ist von EU Land zu EU Land unterschiedlich geregelt. Eine der
wichtigsten Entscheidungen in Deutschland ist hier, Unterstützung für Arbeit
und berufliche Bildung individuell zu organisieren mit persönlicher Assistenz
über ein Persönliches Budget (vgl. Beispiel Melanie).
##LINK Beratungsstellen Persönliches Budget##
Oder sich an einen Träger der Behindertenhilfe zu wenden, in Deutschland sind das Berufsbildungswerke und die Ausbildungsbereiche der Werkstätten für Menschen mit Beeintträchtigungen. In Deutschland wird weiterhin ein Angebot „Tagesförderstätte“ unterschieden: für Menschen, für die Förderung in einem zweiten Lebensraum vorrangig ist und für nicht eine verwertbare Arbeitsleistung im Vordergrund steht.
Eine berufliche Ausbildung kann zu einer Beschäftigung in einer spezifischen Werkstatt für Menschen mit Behinderung führen (System in Deutschland). Sie eröffnet aber auch die Chance auf eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Hierfür gibt es in der EU wiederum unterschiedliche Unterstützungssysteme.
Wer sich in Deutschland an einem „geschützten Arbeitsplatz“ ausbilden lässt – also innerhalb von Einrichtungen des Systems der Behindertenhilfe, erhält in der Regel auch Hilfe bei der Stellensuche, oder wird nach der Ausbildung direkt übernommen.
Eine berufliche Ausbildung – wo und wie sie auch stattfindet - ist ein großer Schritt in die Unabhängigkeit!
Achten Sie beim Start der Ausbildung auf eine gute Begleitung. Probleme, wie Überforderung, Konzentrationsschwierigkeiten und Konflikte mit Kollegen, sind anfänglich normal. Wichtig ist dann, schnell Hilfe zu bekommen und sofort zu handeln.
In Deutschland bieten viele Werkstätten für Menschen mit Behinderung geschützte Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt an und haben durch die Vermittlung und Begleitung eine „Brückenfunktion“ hin zu Inklusion.
Für Ihr Kind kann - je nach Hilfebedarf - zunächst der Besuch einer Tagesstätte eine gute Alternative sein. Zum Beispiel um auf das Arbeitsleben vorbereitet zu werden oder einer sinnvollen Tagesstruktur nachzugehen.
„Es gibt einen entscheidenden Unterschied im Erwachsenwerden geistig behinderter Kinder: Wenn Eltern ihr behindertes Kind loslassen, entlassen sie es nicht in die Selbständigkeit, sondern müssen es in fremde Hände geben. Gerade wenn das Kind schwer behindert ist, löst dies vielleicht das Gefühl aus: „Ich schiebe mein Kind ab.“ Doch das erwachsene Kind zum Beispiel in eine Wohneinrichtung ziehen zu lassen, ist keine Notlösung, sondern in vielen Fällen ein Schritt in Richtung mehr Selbstbestimmung.”. [13]
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Ausziehen in eine eigene Wohnung bedeutet für viele Heranwachsende mit Behinderung erwachsen zu werden, auch wenn sie auf ständige Hilfe angewiesen sind. Wenn das Kind in der Familie bleiben möchte, ist es wichtig, dass möglichst viel Unabhängigkeit ermöglicht wird - sowohl für den behinderten Menschen als auch für die Eltern. Spätestens wenn die Eltern aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Lage sind die Pflege ihres Kindes zu übernehmen, muss eine Entscheidung getroffen werden, wo ihr Kind auf Dauer einen guten Platz findet und leben will.
Die Anzahl der möglichen Wohnformen hat sich in den letzten Jahren vervielfältigt. Sie werden unterscheiden in ambulant betreutes Wohnen und stationäre Wohnheime und -gruppen. [14] Der Grad der Betreuung richtet sich nach dem individuellen Hilfebedarf. So gibt es etwa die Rund-um-die-Uhr-Betreuung oder eine Betreuung, die nur tagsüber bzw. zu bestimmten Uhrzeiten stattfindet. Es gibt inklusive ambulante Wohngruppen, in denen z.B. Studierende mit Menschen mit kognitiven Einschränkungen leben oder Wohngemeinschaften die eingebunden sind in die Gemeinschaft in soziale Wohnprojekte (z.B. Mehrgenerationenhäusern).
Die Assistenz beim Wohnen bietet in der Regel Unterstützung, Begleitung und Beratung bei allen Angelegenheiten des täglichen Lebens, wie z.B. bei Wohnungssuche und –erhalt, Haushaltsführung und Finanzplanung, persönlichen Krisen und Konflikten, Kontakte mit Behörden und Arbeitgebern, Gesundheitsfürsorge und Arztbegleitungen.
Die jungen Erwachsenen mit einer geistigen Behinderung benötigen bei der Auswahl einer geeigneten Wohnmöglichkeit intensive UnterstützungFolgende Aufgaben können bei der Planung eines Auszugs sehr hilfreich sein: [15]
- Über verschiedene Wohnkonzepte sprechen
-
Informationen einholen und individuelle Bedürfnisse
berücksichtigen.
- Ausgewählte Wohneinrichtungen besichtigen, ggf. kurzzeitigen Aufenthalt erproben
- Beim Einzug wird die Aufgabe der Eltern sein, den Mitarbeitern der Einrichtung Informationen über den Interessenten zu vermitteln und dessen Bedürfnisse, Interessen und Abneigungen mitzuteilen, sollte es demjenigen selbst nicht möglich sein
- Vorbereitung und Begleitung des Auszugs führt eher zu einem positiven Ergebnis und positiven Erfahrungen, wenn Eltern und Fachleute den Prozess gemeinsam gestalten.[16]
- Die pädagogischen Fachkräfte aus dem Bereich Wohnen arbeiten eng mit den gesetzlichen Betreuern zusammen.
Folgende Checkliste:
Unterstützungsangebote: Paarbeziehung und Familiengründung
Mit Sexualität und Partnerschaft verbindet sich häufig die Frage nach dem Kinderwunsch. Angesichts der Tragweite der Thematik raten Fachleute weitere beratende Stellen hinzuziehen. Ein reflektierter Prozess muss angestoßen und begleitet werden. Frauen und Männer mit geistiger Behinderung können lernen, ihre Fähigkeiten als Eltern richtig einzuschätzen. Zum Beispiel was es genau bedeutet, tagtäglich für ein Kind verantwortlich zu sein?
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Ermöglichen Sie ihrem Kind die Chance auf eine Partnerschaft und sprechen Sie mit ihm darüber. Das Erproben einer Freundschaft oder Liebesbeziehung verhilft dem Jugendlichen ihre Beziehungen zur Familie zu lockern, neue Bezugspersonen finden und ein Handeln in einem neuen Umfeld. (vgl. Guski&Langlotz-Brunner 1991,4).
- Sexuelle Aufklärung ist eine Grundvoraussetzung (auch als Schutz gegen sexuellen Missbrauch). Verhütungsmöglichkeiten sollten nicht nur bekannt sein, es sollte auch mit einer Methode selbstständig verhüten werden können.
- Nehmen Sie für sich Bildungsangebote zu diesem Thema wahr.
- Ermöglichen Sie Ihrem Kind die Teilnahme an entsprechenden Bildungsangeboten.
- Menschen mit geistiger Behinderung können Eltern sein. Es gibt auch hierfür professionelle Unterstützung - als „begleitete Elternschaft“. (vgl. Pforr 2008)