Kapitel druckenKapitel drucken

Sexuelle Gesundheit

2. Individuelle Freiheit, Rechtssicherheit und Selbstbestimmung

2.2. Wissen über sich selbst


Picture of child Crossing arms

Foto: S. Kühle-Hansen


Identität ist ein wichtiger Aspekt des menschlichen Lebens, der oft durch soziale Merkmale geprägt ist wie:

- Geschlecht

- Ethnizität

- Gruppenzugehörigkeit

- Familie


Die Entwicklung der Identität ist ein dynamischer Prozess, der von Kindheit an das ganze Leben währt.  Für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung sind Entwicklungsmerkmale ein wichtiger Aspekt der eigenen Identität. Daher sollten wir uns besonders darauf konzentrieren, wie wir die Identitätsbildung unterstützen können (6, 8-11).


Wenn wir Menschen mit geistiger Behinderung helfen, ihre Identität zu entwickeln, muss zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenalter differenziert werden. Dazu gehört, dass wir über Diagnose und Behinderung im Zusammenhang mit der Alltagsbewältigung des Menschen sprechen. Das Kind braucht schließlich eine Erklärung, warum es im Kindergarten, in der Schule und als Erwachsener im eigenen Haus Hilfe braucht. Ein Verständnis davon, wer sie sind, sollte vorzugsweise integraler Bestandteil ihres täglichen Lebens sein (6, 11, 12).


Es gibt einige Mythen über Menschen mit geistiger Behinderung wie "sie sind wie Kinder" oder "jemand, der Mitgefühl braucht". Heute wird akzeptiert, dass Menschen mit geistiger Behinderung die gleichen Rechte haben müssen wie Menschen ohne Behinderungen, unabhängig von ihren Besonderheiten und Interessen.


Jeder Mensch braucht Hoffnung und Unterstützung für seine Träume. Gleichzeitig ist es wichtig, realistische Erwartungen zu haben. Jugendliche mit einer geistigen Behinderung benötigen Hilfe, um ein Verständnis für ihre eigene Identität zu entwickeln. Gespräche über Beziehung und Freundschaft können so aussehen:  "Wenn du älter bist, kannst du eine Freundin oder einen Freund finden", "Ihr könnt schöne Dinge zusammen unternehmen. Ihr könnt ins Kino, ins Schwimmbad und ins Café" gehen. Wenn die Erwartungen an eine Ehe und die Familienplanung nicht realistisch sind, sollte das Thema mit gebotener Sorgfalt und Empathie angegangen werden. Die Gespräche können dann so eingefädelt werden: "Es ist keine gute Sache, ein Kind zu haben, wenn einem dafür die finanziellen Grundlagen fehlen“, "Wie kann man ein gutes Leben ohne Kinder haben?", "Wie kann man ein guter Onkel oder eine gute Tante für Kinder des Bruders oder der Schwester sein?“


Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit geistiger Behinderung während ihrer Bewusstseinsbildung


Geben Sie ihnen ein Gefühl von Freiheit, um die Welt und sich selbst zu entdecken. Erlauben Sie ihnen, verschiedene Situationen ohne allzu große Hilfe zu erleben. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, Alltagssituationen mit minimaler Unterstützung zu lösen, z.B.: "Geh was zu Essen kaufen und bezahle es an der Kasse". Lassen Sie sie erleben, wie man um Hilfe bittet - eine Situation, die auch die Sprache entwickeln helfen kann.

Helfen Sie Ihrem Kind, ein eigenes Netzwerk in der Familie aufzubauen. Lassen Sie es mit ihren Familienmitgliedern allein. Lassen Sie es seinen eigenen Weg in das Zusammenleben finden und Rückmeldung zu bekommen, wer es ist. Um sich vertraut zu machen und sich gemeinsam sicherer zu fühlen, bitten Sie Ihren Verwandten, Zeit mit Ihrem Kind zu verbringen. Fragen Sie: "Kannst du mit ihm spielen…"? "Kannst du zum Kiosk gehen und einkaufen…."? „Ich werde dich treffen, wenn du fertig bist".


Sprechen Sie über Erfahrungen und verbringe Zeit, um über Erinnerungen zu sprechen. Lassen Sie das Kind ein Fotoalbum z.B. auf dem iPad machen und bitten Sie es, das Bilderbuch mit in die Schule zu bringen. Sie können es auch zusammen mit Freunden nutzen. Es kann einfacher sein, über ihre persönliche Geschichte zu sprechen, wenn sie Bilder haben, die das Geschichtenerzählen unterstützen. Es kann für das Familiennetzwerk einfacher sein, das Kind/den Jugendlichen zu verstehen, wenn sie sich Bilder von der Familie, Verwandten, Aktivitäten, Urlaub und so weiter ansehen.


Erstellen Sie Bild- und Textbücher für diejenigen, die nicht sprechen können. Es kann ein Sammelalbum und ein wöchentlicher Bildkalender auf dem Handy oder iPad sein. Schauen Sie sich die Bilder zusammen an und sprechen Sie über Menschen, Orte und Ereignisse, die es am selben Tag/in derselben Woche getroffen hat. Sprechen Sie über Dinge, die in der Gesellschaft und in Zeitungen passieren, sowie über neue Bücher, die bei Freunden beliebt sind.


Einige Menschen mit geistiger Behinderung haben nicht die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Bringen Sie ihnen bei, nach den Interessen anderer zu fragen, z.B. "Was machst du gerne", "Was isst du gerne", "Was machst du in deiner Freizeit", "Was machst du gerne zusammen mit deiner Familie, mit Freunden? usw.", "Welche Spiele spielst du auf deinem Computer?". Bringen Sie ihnen auch bei, über ihre eigenen Interessen zu sprechen (12, 13).


Bringen Sie ihnen bei, sich gut zu präsentieren, z.B. über sich selbst zu erzählen: "Mein Name ist Hilde und ich bin 12 Jahre alt. Ich gehe in der Stadt soundso zur Schule und mache gerne Fotoalben". Arbeiten Sie damit in einer sicheren häuslichen Umgebung, bevor ihr Kind seine neuen Fähigkeiten bei anderen anwendet.


Sprechen Sie darüber, wie Ihr Kind Freunde, Bekannte und neue Menschen begrüßen kann. Sprechen Sie mit ihm, wie wir grüßen, wenn wir verschiedene Menschen treffen. Man sollte zwischen guten Freunden und zufälligen Bekannten unterscheiden können. So gibt es einige bekannte Menschen, die man umarmen kann, während man Menschen in einer entfernteren Beziehung nur mit Zunicken oder Hände schütteln begrüßt. Ein Kind, das alle umarmt, kann damit fortfahren, wenn es älter ist. Zeigen Sie ihm frühzeitig, wie es verschiedene Situationen "deuten" kann. Stellen Sie einige Regeln auf.


Sprechen Sie mit Ihrem Kind über menschliche Gefühle und wie es sich in verschiedenen Situationen fühlt, wie es seine Gefühle ausdrückt, wie es verschiedene Gefühle erkennt;

- Bin ich freundlich, hilfsbereit, wütend, ungeduldig, glücklich?

- Was sehe ich, wenn ich mich im Spiegel ansehe?

- Fühle ich mich wie eine andere Person, wenn ich mich schminke?

- Wie fühle ich mich, wenn ich mit meinem besten Freund zusammen bin?

- Liebt mein Freund / meine Freundin mich?


Soziale Rollen sind ein Teil der Persönlichkeit und Identität eines jeden Menschen. Wir übernehmen in verschiedenen Situationen unterschiedliche Rollen. Sprechen Sie darüber, welche Rolle sie spielen und in ihrem Leben einnehmen können, z.B. "Welche Rolle spiele ich, wenn ich den Hund füttere" "- wenn ich mich wasche", "- wenn ich mit meinem Neffen spiele".... Sprechen Sie darüber, wie sie ihre sozialen Rollen wahrnehmen, z.B. "Wer bin ich in der Schule", "Wie kann ich mich um meine Freunde kümmern", "Wer bin ich beim Einkaufen, wie kann ich diese Rolle wahrnehmen".... und so weiter.


Sprechen Sie über die Behinderung Ihres Kindes: "Was ist der Grund für seine Behinderung", "Welche Art von Hirnschäden habe ich?", "Was ist das Schwierigste bei meiner Behinderung", "Was ist das Beste bei meiner Behinderung", "Wie erlebe ich meine Behinderung in verschiedenen Situationen", "Spüre ich, dass körperliche Bewegung für mich funktioniert"?


Eine Person mit einer Behinderung unterscheidet sich von allen anderen mit ähnlicher Diagnose. Sprechen Sie über die Diagnose z.B. "Wie hebe ich mich von anderen mit der gleichen Diagnose ab?" Sprechen Sie über andere Menschen. Wobei brauchen sie Hilfe? "Du und deine Schwester/dein Bruder seid euch nicht ähnlich, was haltet ihr davon?" Einige haben fortschreitende Krankheiten und werden mit der Zeit schwächer. Was meint das Kind dazu? "Was ist wichtig in deinem Leben, nur "jetzt"?"


Es gibt unendlich viele Themen, über die man sprechen kann; wichtig ist es, ruhig zu sprechen und das Thema mit einfachen Worten anzugehen. Solche Gespräche können Ihnen helfen, sich mit den Gedanken Ihres Kindes, des Geschwisterkindes oder Ihres Klienten besser vertraut zu machen. Sie können auch Themen wählen, die in den Modulen Übergang zum Erwachsensein und Altern behandelt  werden[HD1] .



Friends

Zeichnung: Henriette 13 Jahre.