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Sexuelle Gesundheit

2. Individuelle Freiheit, Rechtssicherheit und Selbstbestimmung

2.4. Sexualerziehung

Keys

Foto: G.H. Lunde


Die UNESCO setzt sich für die Qualität einer ganzheitlichen Sexualerziehung ein, um Gesundheit und Wohlbefinden, die Achtung der Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Außerdem befähigen wir Kinder und Jugendliche, ein gesundes, sicheres und produktives Leben zu führen. Im Jahr 2018 veröffentlichte die UNESCO ihre aktualisierte Fassung des „International Technical Guidance on Sexuality Education“. Dieses Handbuch soll bildungspolitische Entscheidungsträger in allen Ländern bei der Gestaltung genauer und altersgerechter Lehrpläne für Kinder und Jugendliche im Alter von 5 - 18+ Jahren unterstützen (17).


Bevor die UNESCO ihr Handbuch herausgab, haben die "Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)" und das "European Network of the International Planned Parenthood Federation (IPPF EN)" 2016 - 2017 eine umfassende Studie über die Entwicklung und den Status der Sexualerziehung in Europa und Zentralasien initiiert. 2008. Sexuelle Rechte: eine IPPF-Erklärung. Die Umfrage umfasste 25 ausgewählte Länder der Europäischen Region der WHO. Diese neue Forschung schließt eine große Wissenslücke über verfügbare Informationen über den Status der Sexualaufklärung (18).


Menschen mit geistiger Behinderung benötigen Dienstleistungen und Maßnahmen, die ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen entsprechen. Sie benötigen ihr Leben lang Unterstützung und Dienstleistungen, die je nach Entwicklung und Lebenssituation variieren und sich ändern. Der Informationsbedarf ist größer, wenn Menschen mit Behinderungen nicht die gleichen Möglichkeiten haben, von Gleichaltrigen und anderen "natürlichen Quellen" über ihre eigene und die Sexualität anderer zu lernen.


Die Länder haben unterschiedliche staatliche Richtlinien in Bezug auf Dienstleistungen und Bildung für Menschen mit geistiger Behinderung entwickelt, aber der Zugang zur schulischen Bildung ist in vielen Ländern ein gesetzlich garantiertes Recht. Trotz dieser Rechte ist die Inklusion von Personen mit geistiger Behinderung ein häufig diskutiertes Thema.


Beispiele für Länder, die ein Aktionsprogramm zur Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit entwickelt haben, sind Finnland und Norwegen. Diese Aktionspläne umfassen auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen/Behinderungen/geistiger Behinderung (14, 19).


Eltern und Lehrer sind dafür verantwortlich, dass Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung etwas über Sexualität erfahren. Sexualerziehung ist ein breites und umfassendes Thema. Die Inhalte ändern sich je nach Entwicklungsstand des Kindes / Jugendlichen / Erwachsenen. Im Alter von drei Jahren benötigt ein Kind andere Informationen und Unterstützung als 10 Jahre später. Darüber hinaus beeinflusst die Sexualerziehung die Entwicklung sexueller Einstellungen und Verhaltensweisen und hilft so dem Einzelnen, eine selbstbestimmte Sexualität zu entwickeln (15: 33).


 

Wissen, das Jugendliche und Erwachsene über Sexualität haben sollten:

  • Sie verfügen über spezifische und grundlegende Kenntnisse über das Geschlecht (z.B. über Körperteile, sexuelle Beziehungen, sexuelle Handlungen usw.).

  • Sie wissen über die Folgen sexueller Handlungen, einschließlich sexuell übertragbarer Infektionen, Schwangerschaft, Sterilisation usw.)

  • Sie haben ein Verständnis dafür, was geeignetes Sexualverhalten ist und in welchem Rahmen es auftreten sollte.

  • Sie müssen verstehen, dass sexuelle Aktivitäten als Ergebnis einer freien Wahl erfolgen.

  • Sie müssen in der Lage sein, potenzielle Missbrauchssituationen zu erkennen.

  • Sie müssen in der Lage sein, gesellschaftlich wie persönlich auf eigenen Füßen zu stehen und jede unerwünschte Aufmerksamkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt abzulehnen (11).


Die Länder brauchen gezielte, wissensbasierte Programme zur sexuellen Gesundheit, die für die Bildung von Menschen mit geistiger Behinderung in jeder Altersstufe angepasst sind, wie z.B. im Kindergarten, in Schulen und am Arbeitsplatz. Das "Country Paper" bietet unter anderem eine Zusammenschau gemeinsamer Entwicklungen und Unterschiede in Europa zur jugendspezifischen Sexualerziehung (20).


Jugendliche in verschiedenen Ländern haben gesagt, was sie in der Sexualaufklärung brauchen. Ein Beispiel ist der "Norwegische Verband für Jugendliche mit Behinderungen", der in einer Befragung untersucht hat, welche Angebote im Bereich der sexuellen Gesundheit Jugendliche mit Behinderungen und chronischen Krankheiten benötigen. Dieser Bericht befasst sich auch damit, wie die für Gesundheit zuständigen Stellen junge Menschen und junge Erwachsene hinsichtlich der für ihre sexuelle Gesundheit erforderlichen Hilfsmittel berät oder ihnen ein Gespräch mit einem Sexualexperten vermittelt (21 - nur im norwegischen Text). Im Jahr 2018 veröffentlichte der Norwegische Verband für Jugendliche mit Behinderungen auch einen E-Learning-Kurs (finanziert von der norwegischen Regierung). Auf der folgenden Webseite finden Sie weitere Informationen (hauptsächlich in norwegischer Sprache): https://ungefunksjonshemmede.no/politikk/seksualitet/ und https://ungefunksjonshemmede.no/arrangementer/seminar-om-e-laeringsverktoyet-sex-som-funker/.


Empfehlungen für weitere Lernmaterialien, die an den Informationsbedarf /Bildungsangebote über sexuelle Gesundheit  angepasst werden können:


„Standards for Sexuality Education in Europe (Standards für die Sexualaufklärung in Europa)" (15) wollen zur Einführung einer ganzheitlichen Sexualerziehung beitragen. Ganzheitliche sexuelle Aufklärung gibt Kindern und Jugendlichen unvoreingenommene, wissenschaftlich verifizierte Informationen über alle Aspekte der Sexualität und hilft ihnen gleichzeitig, Fähigkeiten zu entwickeln, auf diese Informationen zu reagieren. So trägt sie zur Entwicklung eines respektvollen und aufgeschlossenen Umgangs miteinander bei und unterstützt damit auch den Aufbau gerechter Gesellschaften (S.5). Die Sexualaufklärungssmatrix (S.38-50) in diesem Dokument strukturiert verschiedene Altersgruppen und umfasst acht thematische Hauptkategorien. Eltern oder Lehrer können Themen auswählen, die für die Gruppe von Relevanz sind, die sie im Fokus haben.  Sie können die Standards in verschiedenen Sprachen hochladen: https://www.bzga-whocc.de/en/publications/standards-in-sexuality-education/


Sexual education for children and adolescents with developmental disabilities (Sexualauf-klärung für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen)" (22) ist ein Lehrbuch nebst Leitfaden für Eltern und Betreuer, die Menschen mit geistiger Behinderung bei der Erkundung ihres Selbsts und ihrer Sexualität unterstützen. Durch die Nutzung dieses Materials können sowohl Eltern/Erzieher als auch Familienmitglieder eine tiefere Wertschätzung für sich selbst und andere gewinnen, so auch für Personen mit einer Behinderung, die nach Erreichen des Erwachsenenalters dadurch besser auf ein unabhängiges Leben und Teilhabe an der Gemeinschaft vorbereitet werden: http://ceacw.org/docs/parentworkbook.pdf


“Age appropriate sexual behaviour in children and young people (Altersgerechtes Sexualverhalten bei Kindern und Jugendlichen)“ (23), ist eine Broschüre für Familie und Freunde, Lehrer und Fachleute, die mit Kindern arbeiten. Das Lernmaterial beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen sexuellem Verhalten als Teil des normalen Entwicklungsprozesses und sexuellem Verhalten, das als auffällig einzustufen ist. Zweck der Broschüre ist es, i) einstufen zu können, was normatives (altersgerechtes) Sexualverhalten ist und wann  sexuelles Verhalten als auffällig oder extrem auffällig  gilt, ii) zu bestimmen, wann Sie sich um ein Kind oder das Sexualverhalten eines Jugendlichen sorgen sollten, iii) festzustellen, wann weitere professionelle Beratung erforderlich ist und an wen Sie sich im


Bedarfsfall wenden sollten. https://www.secasa.com.au/assets/Documents/Age-appropriate-behaviours-book.pdf. Weitere Infos finden Sie auch hier: https://www.secasa.com.au/assets/Documents/Age-appropriate-behaviours-1.pdf


 

Weiterbildungsangebote im Bereich der sexuellen Gesundheit gibt es zudem für Lehrer und Dienstleister, die Menschen mit geistiger Behinderung bei der Sexualaufklärung unterstützen. Ein Beispiel für ein solches Angebot gibt es bei der Oslo Metropolitan University (OsloMet). Auf der folgenden Homepage finden Sie mehr dazu: http://www.hioa.no/Studier-og-kurs/HF/Evu/Seksuell-helse-og-seksualitetsundervisning

und auch hier: http://www.hioa.no/Studier-og-kurs/HF/Evu/Sexologi-og-funksjonshemming


 

AUFGABEN:

Fallbeispiel: Frauen und Männer im Internet. Recht auf sexuelle Aufklärung[HD1]