Altern

2. Der Alterungsprozess

2.5. Frühe Alterserscheinungen und Konsequenzen daraus

Der Alterungsprozess beginnt früher, unterscheidet sich im Wesentlichen aber nicht so sehr von dem der sonstigen Bevölkerung. Auch wenn Alterung ein individueller Prozess ist, erleben Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, wenn sie die 60 Jahre überschreiten, relativ große  Veränderungen im hinsuchtlich ihrer alltagspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Bei Menschen mit Down Syndrom beginnt eine solche Veränderung bereits im Alter von etwa 40 Jahren (9).  

two people washing the floorPhoto: Jørn Grønlund

Es sieht so aus, dass der Alterungsprozess von Menschen mit einem mittleren und schweren Grad der Beeinträchtigung bis zu 20 Jahre früher im Vergleich zu anderen beginnt. Hirnverletzungen und Hirnerkrankungen reduzierten die Kapazitäten und bezeichneten einen früheren Zeitpunkt. Weitere Faktoren, die typisch sein können für ein vorzeitiges Altern, sind:

  • Ausmaß der intellektuellen Beeinträchtigung
  • Typische Merkmale des Syndroms oder zusätzliche Beeinträchtigungen, z.B. Down-Syndrom und Zerebralparese
  • Progressive Störungen
  • Trauma und Unfälle

Frühes Altern hat Folgen im Hinblick auf
  • die finanzielle Lage, wenn gesundheitliche Probleme zu Schulden führen.
  • das Gemeinschaftsleben: Weniger soziale Teilhabe durch Ausscheiden aus der Arbeitswelt, Freunde versterben früher ...
  • die Möglichkeiten, das Leben als lebenswert zu erfahren.
Wenn man jeden Tag mit der gleichen Person zusammen ist, kann es schwierig sein, funktionale Veränderungen oder frühe Anzeichen des Alterns zu erkennen. Es ist meist so, dass man erst, wenn die Person "Ärger" macht, damit anfängt sich Gedanken zur Gesundheits- und Lebensqualität zu machen. Unerwartete Verhaltensänderungen oder herausforderndes Verhalten können auf chronische Erkrankungen, Schmerzen, mangelnde Aufmerksamkeit usw. zurückzuführen sein.

Frühe Anzeichen des Alterns sind in der Regel Seh- und Hörstörungen, Herzerkrankungen, Diabetes und Demenz, welche bei Menschen mit Down-Syndrom häufiger als bei anderen auftreten. Erwachsene mit Down-Syndrom durchlaufen ein „beschleunigtes Altern“.  Dafür typische Anzeichen und körperliche Veränderungen, die ansonsten bei älteren Menschen auftreten, zeigen sich bei ihnen früher. Warum das so ist, weiß man noch nicht im Detail, es soll aber ein Zusammenhang mit den Genen auf Chromosom 21  zusammenhängen. Mit diesem Gen wird auch der Alterungsprozess in Verbindung gebracht.

Photo: Jørn Grønlund

Auch Menschen mit Zerebralparese haben besondere gesundheitliche Probleme, die bereits im Alter von 20 bis 25 Jahren zu zunehmenden Problemen führen. Sie können eine reduzierte Muskelfunktion, Ermüdung, Schmerzen, zunehmende kognitive Schwierigkeiten, Schluckprobleme und Herz-Lungen-Probleme entwickeln. Das Risiko einer physischen und psychischen Überlastung mit weiteren Verletzungen ist groß, wenn nicht schon  bereits am Anfang des Alterungsprozesses eine optimale Nachsorge geplant wurde und bereit gestellt werden kann.

Im allgemeinen treten im Alter gesundheitliche Probleme auf, die einer medikamentösen Behandlung bedürfen. Polypharmazie, also die zeitgleiche Einnahme unterschiedlicher Medikamente,  findet sich häufig bei der Behandlung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (12). Studien zeigen, dass psychische Störungen bei Einnahme von psychotropen Medikamenten zunehmen. Die Auswirkungen einer regelmäßigen Einnahme falscher Medikamente führen zu  Lust- und Antriebslosigkeit, Verminderung der Kommunikationsfähigkeit, zu einem Abnehmen der Motivation und Konzentrationsfähigkeit (2, 13-15).

Wir sollten uns des Mangels an Wissen über die medizinischen Wirkungen einer Polypharmazie sowohl bei Menschen über 67 Jahren, als auch bei Menschen mit Hirnschäden bewusst sein. Und: Medikamente können unterschiedliche Wirkungen zeigen., deshalb ist die Beobachtung des Behandlungsverlaufs von zentraler Bedeutung.

In der Regel wird ein beschleunigtes Altern unter medizinischen, körperlichen und funktionellen Aspekten betrachtet. Familienangehörige und Bezugspersonen bemerken normalerweise, dass Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung „langsamer“ werden. Was es schwieriger macht, ist, dass diese Art des Alterns "normal" ist und  noch nicht vollständig verstanden wird. Um so bedeutender wird es dann, sich vorausschauend darauf einzustellen. Der Alterungsverlauf erfordert mehr Aufmerksamkeit und Dokumentation seitens der pflegenden und betreuenden Personen. Für die Familie ist es wichtig, Augen und Ohren für frühzeitige Veränderungen offen zu halten, so dass auf diese Änderungen proaktiv reagiert werden kann.



AKIVITÄTEN: 

  • Wann - glauben Sie - ist es an der Zeit, sich auf den Alterungsprozesses Ihres beeinträchtigten Familienmitglieds vorzubereiten?
  • Beschreiben Sie jedes frühe Anzeichen eines Alterns, das Ihnen auffällt und stellen Sie sich die Frage: Ist dies ein Teil des "normalen" Alterungsprozesses? Falls Ihre Antwort "Nein" lautet, welche Maßnahmen werden Sie dann ergreifen?